BodenschŠtze in der Gemeinde Morschen

Otto Wohlgemuth
Kalkstein
Die gezielte Verarbeitung von Kalkstein zu einem vielseitigen Baustoff gehšrt zu den Šltesten und bis heute bedeutendsten technischen Produktionsverfahren.
Calciumcarbonat (CaCO3, Kalkstein) gibt bei Temperaturen zwischen 900 und 1.200 ¡C Kohlenstoffdioxid (CO2) ab und geht in Calciumoxid (CaO, Branntkalk) Ÿber, man spricht dabei vom EntsŠuern des Kalksteins. Dieser Schritt wird als Kalzination bezeichnet. Der Branntkalk kann dann mit Wasser zu Kalkfarbe, Kalkmšrtel oder hydraulischem Kalk weiterverarbeitet werden. (Quelle: WIKIPEDIA)

Einen ersten schriftlichen Nachweis fŸr den Abbau und die Verarbeitung der hiesigen Kalkvorkommen finden wir in einer Annonce im Melsunger Kreisblatt vom 4. Oktober 1892.


Es war der fortschrittliche DomŠnenpŠchter Johann Pestalozzi, der neben anderen Fabriken im Bereich zwischen Kloster und Bahn auch eine Kalkbrennerei betreiben lie§. Das Material wurde am Kappelberg im sŸdšstlichen Teil des jetzigen Sportplatzes und in unmittelbarer NŠhe der vermuteten Wallfahrtskirche abgebaut. Pestalozzi verlie§ Altmorschen im Jahr 1900. Ob die Kalkbrennerei danach noch in Betrieb war, ist nicht bekannt. Fest steht, dass noch (oder wieder) in den 1930er Jahren im šstlichen Teil des Kappelberges Kalk abgebaut wurde. Heinrich Zeich und Heinrich Wohlgemuth betrieben das Werk gemeinsam. SpŠter wurde dieser Bereich zur MŸllkippe der Gemeinde, heute ist hier die GrŸnabfallsammelstelle.


Heimischer DŸngekalk war seinerzeit fŸr die Landwirtschaft ein wichtiger Grundstoff zur ErnŠhrungssicherung. Maurer und Maler brauchten Baukalk. HierfŸr musste allerdings der Kalk zunŠchst mit Wasser gelšscht werden, wodurch er zu Wei§kalkhydrat (Calciumhydroxid) wurde. Dies geschah in Kalkgruben bei den Endverbrauchern.

Ende der 1930er Jahre Ÿbernahm Heinrich Wohlgemuth den Bruch des Eubacher Gutshofes von Eduard Groh im Rangegrund. Hier, am Berg des Eubacher Gutshofes von Eduard Groh, wurden in kŸrzester Zeit die zur Herstellung von Bau- und DŸngekalk erforderlichen Einrichtungen geschaffen: Brennofen, Mahlwerk und Silos fŸr die Lagerung. Auch eine massive FrŸhstŸcksbude wurde errichtet. Im Kalkwerk waren drei bis fŸnf ArbeitskrŠfte stŠndig beschŠftigt. Das Rohgestein wurde aus der Wand herausgesprengt. Die hierfŸr erforderlichen Bohrlšcher wurden mit Bohrstange und Vorschlaghammer in die Steinwand getrieben. Das abgesprengte Material wurde - ebenfalls mit schweren HŠmmern - zerkleinert und mittels Kipploren Ÿber eine Rampe zum Brennofen gebracht. Dieser wurde am Grund mit leicht brennbaren Material (Holz, WacholderbŸsche) belegt und sodann schichtweise mit Koks und Kalkstein befŸllt. Dann konnte der Brennvorgang, der etwa Woche dauerte, in Gang gesetzt werden. Nach der AuskŸhlung wurde das gebrannte Gestein von den Koksresten getrennt, gemahlen und Ÿber Elevatoren in die Silos transportiert. Die hierfŸr benštigte ElektrizitŠt wurde Ÿber einen Transformator aus der ã†berlandleitungÒ von Altmorschen nach Eubach bezogen. Aus den Silos konnte das Endprodukt abgesackt und entweder direkt ab Werk vom Endverbraucher abgeholt oder mit dem werkseigenen Lanz-Bulldog zum Bahnhof gebracht werden. Von dort erfolgte der Weitertransport in Bahnwaggons. Heinrich Wohlgemuth lie§ nach 1945 noch eine Anlage im Werk installieren, um den begehrten Wei§kalkhydrat herzustellen. Hierzu nutzte er das Wasser des Rinnsals durch den Rangegrund. Ein wirtschaftlicher Erfolg war ihm nicht mehr beschieden. Als Mittsiebziger gab er nach 1950 den Betrieb auf. Der Bruch und Reste der Fundamente sind heute noch sichtbar.



Fotos Sammlung Otto Wohlgemuth

KalkbrŸche in Konnefeld

Zwei weitere BrŸche, in denen Bau- und DŸngekalk hergestellt wurde, gab es im letzten Jahrhundert in Konnefeld. Der in der Birkenseekaute wurde seit 1925 von Hermann Heckmann aus Heinebach betrieben. In den beiden Ringšfen wurde vom FrŸhjahr bis in den Herbst hinein gebrannt. Reste der seit Jahren schon nicht mehr genutzten Anlage waren 1995 noch zu erkennen.



Fotos Sammlung Oskar Musolff

Ein zweiter Bruch war bis in die 1980er Jahre am Honigsberg in Betrieb - womšglich einer der letzten Zeugen frŸherer Kalkgewinnung in Nordhessen. Karl Stegelmann begann mit einem neun Meter hohen Schachtofen in unmittelbarer NŠhe des Bruches Kalk zu brennen. Damals wurden zwei Arbeiter beschŠftigt. 1934 Ÿbergab Karl Stegelmann das Kalkwerk an seinen Schwiegersohn Johannes Proll. Dieser erweiterte das Werk um ein 50 t fassendes Silo und einen zweiten Ringofen und konnte nun sechs Arbeiter beschŠftigen. In den Kriegsjahren ruhte der Betrieb. Nach 1945 wurde mit der Arbeit im Kalkwerk wieder begonnen und das Werk in den 1950er Jahren um einen Mannschaftsraum, eine Anlage zur Wei§kalkhydratherstellung und eine LagerhŸtte fŸr abgesackten Kalk ergŠnzt. Zeitweise waren in diesen Jahren 5 Personen beschŠftigt. Seit den 1970er Jahren arbeitete Johannes Proll nur noch mit seinem Sohn im Betrieb. Seit dieser Zeit lie§ er den Kalkstein zwei- bis dreimal jŠhrlich absprengen. Die BefŸllung des Ofens erfolgte mit einem Schaufellader. Hauptabnehmer des Kalkes waren die Raiffeisengenossenschaft und einige Bauern. Wegen seiner Reinheit und Konsistenz war der Kalk aus dem Konnefelder Werk bei Restaurateuren sehr beliebt. Aufgrund jahrelanger Erfahrung war Johannes Proll in der Lage, die QualitŠt des Kalkes durch GewichtsprŸfung mit der Hand zu beurteilen. Nur die von ihm als besonders leicht bewerteten Steine waren das Ausgangsmaterial fŸr Restaurationsarbeiten. Die schweren Steine wurden zu DŸngekalk verarbeitet. Erst nach dem Johannes Proll 1991 im Alter von 83 Jahren verstarb, ist auch dieser Kalkbruch nicht mehr in Betrieb. Bruch und Reste der beiden Brennšfen sind vor Ort noch vorhanden.
(entnommen aus einem Beitrag von Joachim Erbs in der BroschŸre 800 Jahre Konnefeld 1195-1995)



Fotos Sammlung Oskar Musolff


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Reichel, D., Chronik 800 Jahre Wichte, S. 224-227, 1996
Kalkbrennen in der Gemarkung Wichte
Gebrannter Kalk dient zur Herstellung von Mšrtel, zu Anstrichen sowie in der Landwirtschaft als DŸngemittel.
Kalk kommt in natŸrlichen, tierischen und mineralischen Ablagerungen vor, z. B. als Kalkstein, in Muschelschalen und Kreide.

Gebrannter Kalk entsteht, wenn Kalkstein in einem Kalkofen unterhalb der Sintergrenze bei einer Temperatur von 1.200¡C his 1.400¡C brennt. Hierbei wird die KohlensŠure (C02) ausgetrieben; es verbleibt Calciumoxyd (CaO). Gebrannter Kalk ist sehr poršs, bršckelig und saugt begierig Wasser aus der Luft an. Er mu§ daher feuchtigkeitssicher gelagert werden.

Da Wichte mitten in einem Muschelkalkgebiet liegt, wurden die Kalkvorkommen seit Jahrhunderten mehr oder weniger abgebaut.

Im Jahre 1903 entschlo§ sich der Landwirt Johann Heinrich Bachmann, einen Antrag an die zustŠndige Baubehšrde auf Errichtung eines ãSchachtofens zum Brennen von DŸngerkalk zur eigenen VerwendungÒ auf seinen in der Feldgemarkung Wichte gelegenen GrundstŸcken (ãDer lange RainÒ) zu stellen. Im Volksmund bildete sich - dort, wo der Ofen stand - die Bezeichnung ãSchŠchterÒ aus.

In der BegrŸndung zu dem Antrag wird darauf hingewiesen, da§ die in Frage kommende Parzelle ãaus Kalkstein in hŸgeliger Beschaffenheit bestehtÒ und damit ãeine Abnutzung der Wege in au§ergewšhnlichem Ma§e ausgeschlossenÒ sei. Im Ÿbrigen wŸrde ãzur Beschaffung des Brennmaterials die an dem GrundstŸck entlang laufende Kommunalstra§e benutzt werdenÒ. BezŸglich der UnfallverhŸtungsvorschriften wurde damals bereits Rechnung getragen, durch die BestŠtigung ãentsprechender Vorkehrungen, wie GelŠnder, †berdachung u. d. gl.Ò zu treffen. Au§erdem wurden die GrenzabstŠnde zu den NachbargrundstŸcken und die Entfernung zu den ãmenschlichen Behausungen 540 mÒ besonders erwŠhnt. Die Baustelle selbst lag ãin der Mitte des 2,52 Hektar gro§en GrundstŸcksÒ.

Mit Gestattungs-Urkunde vom 4. MŠrz 1904, unterschrieben vom Kreis-Ausschu§, wurde dem ãAckermannÒ Johann Heinrich Bachmann die Genehmigung zur Errichtung eines ãKalkschachtofens auf seinem GrundstŸck, Kartenblatt 203, Parzelle 73 gemЧ der angefertigten Zeichnung und BeschreibungÒ erteilt. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, da§ die Behšrde sich vorbehŠlt, ãdie Bedingungen, unter welchen diese Genehmigung erteilt ist, abzuŠndern...Ò und ggf. zu widerrufen, sofern die ursprŸnglichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Der Schachtofen war aus Backsteinen gemauert. In etwa 80 cm Hšhe war ein Rost eingelegt, damit die Luft zirkulieren und der Kalk nicht durchfallen konnte. Der Rost wurde mit Kiefern- und FichtenbŸschen bedeckt und darŸber abwechselnd Koks und Rohkalksteine aufgeschichtet. Der Ofen wurde von oben befŸllt.

Die Kalksteine wurden gesprengt und mit Kipploren auf Gleisen zum Ofen gebracht. Drei Tage wurde der Kalkstein gebrochen und drei Tage gebrannt.

Zur intensiven Nutzung pachtete Karl Ackermann nach Ÿberlieferten Informationen 1920 den Kalkbruch und betrieb ihn bis in die 3Oer Jahre mit den folgenden Mitarbeitern aus Wichte: Heinrich Aubel, Georg Bachmann, Johannes Mšller II, Gottlieb Steube, Fritz Walper.

Die meisten Kunden kamen aus den Nachbarkreisen Fritzlar und Homberg mit Pferdegespannen und holten sich den gebrannten Kalk ab, entweder zur Verwendung beim Bauen oder zum Streuen auf die €cker.

FŸr Bauzwecke mu§te der gebrannte Kalk gelšscht werden. Dazu wurde jeweils meistens neben dem Neubau eine Grube ausgehoben und der gebrannte Kalk mit Wasser Ÿbergossen. Dabei bildet sich Calciumhydroxyd (CaOH)2. Gleichzeitig wird sehr viel WŠrme frei, die das ŸberschŸssige Wasser verdampft. Man erinnere sich an das Zischen oder Rauschen beim Kalklšschen. Der gelšschte Kalk nimmt au§er Luft KohlensŠure auf und geht in eine feste, kristalline Masse Ÿber, d. h. wieder in Calciumkarbonat. Darauf beruht seine Verwendung zur Bereitung von Mšrtel, in dem er mit Sand und Wasser gemischt wird und beim ErhŠrten die einzelnen Sandkšrner miteinander verkittet.

Zum Streuen auf die €cker wurde der Kalk mit Rei§ig und Erde bedeckt, damit er bršselig und streufŠhig wurde.

Quellen: Dokumente der Familie Bachmann, MŸndliche †berlieferungen

Beim Brechen des Kalksteines: v.l. an der Lohre Gottlieb Steube, Johannes Mšller II und Fritz Walper


Zeichnung zum Bau eines Kalkschachtofens (Vergrš§erung: Bild anklicken!)