Der Bahnhof ALTMORSCHEN
Reinhold Salzmann

Die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn (FWNB)

Knapp ein Jahrzehnt nach der Eršffnung der ersten deutschen Eisenbahn zwischen NŸrnberg und FŸrth im Dezember 1835 begann man am 1. Juli 1845 in der NŠhe von Guxhagen in Kurhessen mit dem Bau von Eisenbahnen. Nach jahrelangem innenpolitischem Hin und Her sowie zŠhen Verhandlungen mit Preu§en und den thŸringischen Nachbarstaaten hatte ãKurprinz und MitregentÒ Friedrich Wilhelm am 2. Oktober 1844 die Statuten einer Aktien-Gesellschaft fŸr den Bau der ãFriedrich-Wilhelms-NordbahnÒ genehmigt, wobei ein Bankenkonsortium, bestehend aus den BankhŠusern Bernus du Fay (Hanau), Gebr. Bethmann und Ph. M. Schmidt (beide Frankfurt a.M.), das notwendige Kapital von 8 Mio. Talern durch Ausgabe von Aktien bereitstellen sollte.

Der Bau der Strecke von Haueda an der preu§isch-westfŠlischen Grenze bis nach Gerstungen war in insgesamt 12 Sektionen aufgeteilt worden, dazu wurden gesondert die Tunnelbauten vergeben. Die Station Altmorschen befand sich im Bereich der ãSection 9Ò, die vom Pfieffrain bei Melsungen bis nach Heinebach reichte. Der Bau der Strecke in der ãSection 9Ò (ohne den Tunnel bei Beisefšrth) war an die Fa. Wachsmann & ManchŽ vergeben worden, die Bauleitung hatte ãSectionsingenieurÒ Kšrdell. Am 7.April 1847 erhielt die Fa. Wachsmann & ManchŽ auch den Zuschlag fŸr die Bauten ãder Station Altmorschen (dem EinmŸndungspunkte einer demnŠchst aus der Gegend von Lichtenau und Eschwege Ÿber Spangenberg herangefŸhrt werdenden Wegverbindung), in einem Anschlage von 19.000 TalernÒ mit der ãVerpflichtung der Beendigung bis zum 1. Juli 1848Ò, so der GeschŠftsbericht der FWNB aus dem Jahre 1847.

Beim Bau der Bahn hatte man eine klare Aufgabentrennung vorgenommen: Oberingenieur Dr. Francois Splingard aus Namur/Belgien baute die Strecke, fŸr die Hochbauten wie z. B. die BahnhofsgebŠude war der kurhessische Hofbaumeister Julius Eugen Ruhl zustŠndig. Splingrad und Ruhl arbeiteten eng zusammen und koordinierten ihre AktivitŠten, z. B. auch die Lage von BahnhofsgebŠuden bei den entsprechenden Ortschaften.

Das BahnhofsgebŠude von Altmorschen

Julius Eugen Ruhl hat mit seinen EntwŸrfen den Stil der Bahnhofsbauten der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn und des kurhessischen Abschnitts der Main-Weser-Bahn entscheidend geprŠgt, viele PlŠne, Skizzen und EntwŸrfe sind von ihm erhalten. Den meisten von ihnen sind folgende Aspekte gemeinsam:

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die EinfŸhrung des unverputzten massiven Ziegelbaus aus GrŸnden der Dauerhaftigkeit und des Eindrucks solider QualitŠt,

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die Bevorzugung eines Rundbogen-Stils,

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die Zergliederung des Bauwerks in tragende (Pfeiler), umschlie§ende (WŠnde) und dekorierende
Elemente (Rundbšgen, Gesimse, Zahnfriese, Formsteine),

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die Nutzung rasterfšrmiger Grundrisse.


Den Ruhlschen Vorstellungen nachempfundene Rekonstruktion des Altmšrscher Bahnhofs von R. Salzmann

Vom Altmšrscher Bahnhof ist kein Entwurf erhalten, der sich explizit auf Ruhl zurŸckfŸhren lŠsst. Ein Vergleich mit den von Ruhl entworfenen Bahnhšfen wie z. B. in Hofgeismar, Melsungen oder Rotenburg a. d. Fulda aber machen mehr als deutlich: Es sind Ruhls Vorstellungen, die hier in Altmorschen umgesetzt wurden.

Obwohl das GebŠude in der Gemarkung Neumorschen gelegen war, erhielt die Station den Namen ãAltmorschenÒ. Es hei§t, dass dies auf Wunsch des KurfŸrsten geschehen sei, auch wegen der Verbindung zum Kloster Haydau, das damals als StaatsdomŠne im Besitz des KurfŸrsten war. Die AusfŸhrungen des GeschŠftsberichts 1846/47 der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn lassen aber eher den Schluss zu, dass wegen der Wegeverbindung von Lichtenau bzw. Eschwege Ÿber Spangenberg nach Homberg in Altmorschen das entsprechende Verkehrsaufkommen erwartet wurde. Nicht zuletzt stand zwischen Alt- und Neumorschen damals die einzige FuldabrŸcke zwischen Melsungen und Rotenburg.

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Offiziell soll der Bahnhof am 15.5.1852 feierlich eingeweiht worden sein, knapp vier Jahre nach Aufnahme des Bahnbetriebs zwischen Guxhagen und Bebra. Bereits im ersten Fahrplan fŸr die Gesamtstrecke der FWNB vom 25. September 1849 sind in Altmorschen sechs Zughalte verzeichnet, d. h., es gab bereits Personenverkehr in mšglicherweise provisorischen, noch nicht komplett fertig gestellten Einrichtungen. Das zeigt auch der  GeschŠftsbericht der FWNB von 1849, der fŸr den Zeitraum vom 30. MŠrz 1848 bis zum 31. August 1849  fŸr den Bahnhof Altmorschen 14 303 befšrderte Personen und 4858,5 Zentner transportierte GŸter ausweist.

Angesichts der vertraglichen Verpflichtung des Bauunternehmens, das GebŠude bis Juli 1848 fertigzustellen, wirft der Eršffnungstermin 1852 Fragen auf. Im GeschŠftsbericht von 1849 der - sich damals in finanziellen Nšten befindlichen - FWNB-Gesellschaft liest man: ãBei AusfŸhrungen der Hochbauten haben wir durch Vereinfachung derselben und BeschrŠnkung auf die zum Betrieb nothwendigen Einrichtungen nicht unbedeutende Ersparnisse eintreten lassen.Ò Mšglicherweise betraf dieser Sparkurs auch Altmorschen, so dass erst 1852 das GebŠude komplettiert war.

Im Band 2.1 der ãKulturdenkmŠler in Hessen. EISENBAHN IN HESSENÒ wird das Altmšrscher BahnhofsgebŠude als ãehemals symmetrisches BacksteingebŠude von 1848 auf H-fšrmigen Grundriss (2:3:2-Achsen) É , seit ca. 1850 beidseitig verlŠngert und nach Norden um einen Turm ergŠnzt, zuletzt 1893 verŠndertÒ beschrieben. Dieser H-fšrmige Grundriss lŠsst sich heute noch erkennen, wenn man sich gedanklich den nšrdlichen Turm sowie den sŸdlichen Anbau wegdenkt. Allerdings hatten bis auf den zweistšckigen Haupttrakt (und dem spŠter angefŸgten Turm) die GebŠudeteile noch nicht die Hšhe, in der wir sie jetzt vorfinden.

Die verwendeten Baumaterialien (Klinkersteine) lassen diesen H-fšrmigen Ursprungsgrundriss erkennen, den zweigeschossigen Hauptbau mit angedeuteten Giebeln (ãRisaliteÒ) auf beiden Seiten, ein traufstŠndiger flacher Bau stellt die Verbindung zu einem weiteren, mit Giebel zum Gleis ausgerichteten Anbau her, der gleich breit, aber niedriger als der Haupttrakt war. Der nšrdlich angefŸgte dreistšckige Turm war bis zum Zeitpunkt der Eršffnung 1852 offenbar noch nicht komplett vorhanden, dŸrfte aber nicht lange danach fertig gestellt worden sein,  da in ihm der einzige Treppenaufgang zum Obergeschoss eingebaut war. Da die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn trotz Erprobung von ãTelegraphenÒ (gemeint sind fest installierte optische Signale) zunŠchst den Betrieb mit Handsignalen regelte, die von WŠrter zu WŠrter gegeben wurden, was eine Sichtverbindung zwischen BahnwŠrterhŠusern und Bahnhšfen erforderte. Die 1948 herausgegebene Festschrift zum 100jŠhrigen JubilŠum der FWNB vermutet, dass der Turm ãeine Art Wachturm darstellte. Nach †berlieferung alter Eisenbahner befand sich im Erdgeschoss des GebŠudes im Anschluss an den Turm, in dem die Treppe zu den oberen Stockwerken hinauffŸhrte, das Telegrafenzimmer. Durch diese Anordnung war es mšglich, schnell auf die obere Plattform zu gelangen, um die sich nŠhernden ZŸge schon von weitem zu beobachten und ihnen u. U. Signale geben zu kšnnen.Ò Gegen diese Vermutung spricht, dass auf allen Zeichnungen und Abbildungen der TŸrme, die es in gleicher Form z.B. auch bei den Bahnhšfen in Hofgeismar, Melsungen oder Rotenburg gab, diese mit einer Haube abgedeckt sind. In erster Linie war ein solcher Turm wohl ein Uhrenturm, vor allem befand sich in ihm Ð wie erwŠhnt - der Treppenaufgang vom Erdgeschoss zum ersten Stock.

Die Beschaffung der Baumaterialien spiegelt die damalige industrielle RŸckstŠndigkeit des Agrarstaates Kurhessen wider: Der Schiefer fŸr die Dacheindeckung wurde aus England bezogen, ebenso Kupferblech und KupfernŠgel, spŠter verzinkte EisennŠgel. Der Turm wurde mit Zinkblech Ÿber Dielenschalung abgedeckt. Inwieweit die von Dr. Francois Splingard fŸr den Bahn- und Tunnelbau aus Belgien herangeholten Ziegelbrenner auch Klinker fŸr den Bahnhof in Altmorschen hergestellt haben, ist unklar. Da aber Streckenbau und Bahnhofsbau in der Hand einer Firma lagen, kšnnte man Synergieeffekte bei der Materialbeschaffung vermuten.
In den EntwŸrfen Julius Eugen Ruhls, die dem Altmšrscher Bahnhofstyp entsprechen, zeigt sich eine typische Anordnung der InnenrŠume. FŸr Altmorschen kann man daher fŸr den Bau in seiner ursprŸnglichen AusfŸhrung folgende Aufteilung annehmen:

- Erdgeschoss:

Im Turm der Treppenaufgang zur Vorsteher-Wohnung im ersten Stock des Haupttrakts.
Im Haupttrakt DienstrŠume (Billets, GepŠck) .
Im Verbindungsbau WarterŠume .
Im sŸdlichen Anbau FŸrstenzimmer mit gesondertem Zugang von der Seite.

- Erster Stock:

Im Turm Treppenaufgang zum 2. Turmgeschoss sowie Toilette fŸr die Vorsteher- Wohnung.
Im Haupttrakt Vorsteher-Wohnung

Diese eine Wohnung genŸgte, denn in Altmorschen waren wie ãauf allen Stationen zweiter Klasse (É) die Funktionen des Stations-Inspectors, Einnehmers, GŸter- und GepŠckexpedienten einem einzigen Beamten Ÿbertragen, welcher bei verschiedenen GeschŠften nur durch einen Wieger unterstŸtzt wirdÒ , so der GeschŠftsbericht der FWNB von 1848/49. Nur in Karlshafen, Kassel und Bebra wurde damals zusŠtzliches Personal eingesetzt.

SpŠtere VerŠnderungen des BahnhofsgebŠudes

Durch die aktuelle, 2012 abgeschlossene Aufarbeitung des GebŠudes in Altmorschen ist es mšglich geworden, einen Eindruck vom ursprŸnglichen Šu§eren Erscheinungsbild der Bahnhšfe aus der Anfangszeit der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn zu bekommen. Allerdings zeigt sich der heutige Bahnhof in einer gegenŸber dem Zustand der 1850er Jahre baulich in vieler Hinsicht verŠndert und ergŠnzt. Folgende spŠteren Umbauten bzw. Anbauten, die z. B. durch die Verwendung anderer Klinkerstein-Formate oder an unterschiedlichen Radien der Fensterbšgen zu erkennen sind, kann man am EmpfangsgebŠude feststellen:

- Anbau zweistšckiger sŸdlicher FlŸgel mit Restauration und Wohnung fŸr den Gastwirt
- Aufstockung mittlerer Bau,
- Aufstockung sŸdlicher, giebelstŠndiger Trakt,
- Anbau Portikus (stra§enseitiger Eingang),
- stra§enseitiger zweistšckiger Anbau an Turm, gleiche Hšhe wie Mittelbau und SŸdflŸgel.

Wann die Erweiterungsbauten vorgenommen wurden, ist nicht genau bekannt. Die ãKunstdenkmŠler in HessenÒ geben an, dass der Bahnhof bis zum Jahre 1893 umgebaut worden sei.

Ein Foto aus dem Jahre 1914 zeigt das GebŠude in der Form, wie wir es heute kennen, mit allen oben aufgefŸhrten An- und Umbauten. Dort ist auch der GŸterschuppen zu sehen, der mitsamt Ladegleis zur Ÿberdachten Rampe am Schuppen etwa um 1910 gebaut worden sein dŸrfte. Ein anderer Postkartenausschnitt zeigt die Stra§enfront des GebŠudes mitsamt dem angebauten Portikus - die Uniformen der Eisenbahner und der teilweise sichtbare GŸterschuppen erlauben den Schluss, dass auch dieser Vorbau mit Treppenaufgang und Windfang um diese Zeit entstanden ist. Sicherlich war hiermit beabsichtigt, die betrieblichen AblŠufe innerhalb des GebŠudes zu verbessern. In den frŸhen EntwŸrfen Ruhls gab es am Eingang oft einen quer liegenden Flur (ãVestibulumÒ), von dem aus die im SeitenflŸgel liegenden WarterŠume zu erreichen waren und die den Reisenden nach Betreten des GebŠudes zu einer Querbewegung zwangen. Der ãnatŸrliche WegÒ eines Reisenden war nŠmlich eher der, dass er sich nach Betreten des GebŠudes geradeaus, direkt zum Gleis hin bewegte, indem er sein Billet kaufte und eventuell GepŠck aufgab, um dann auf den Bahnsteig zu gelangen. So sind im Laufe der Jahre eigentlich alle Bahnhšfe entsprechend umgebaut worden. In diesem Zusammenhang ist mšglicherweise der Umbau der ursprŸnglich einflŸgeligen TŸr vom Verwaltungstrakt zum Bahnsteig in zwei nebeneinander liegende TŸren erfolgt.

Ab dem Jahre 1853 durfte sich die Bahn ãKurfŸrst-Friedrich-Wilhelms- NordbahnÒ nennen, die Initialen ãKFWNBÒ zierten nun die Fahrzeuge. Mit der Okkupation Kurhessens durch Preu§en im Jahre 1866 war das Ende der kurfŸrstlichen Herrschaft gekommen, KurfŸrst Friedrich Wilhelm I. ging nach Prag ins Exil. Der Name der Eisenbahngesellschaft wurde in ãHessische Nordbahn-GesellschaftÒ geŠndert, ab 1868 wurde die Strecke von der ãBergisch-MŠrkischen EisenbahngesellschaftÒ betrieben, welche wiederum 1882 von Preu§en verstaatlicht wurde. Es war so auch die Notwendigkeit entfallen, einen gesonderten Wartesaal fŸr die kurfŸrstliche Familie vorzuhalten. †blicherweise wurden dann die WarterŠume umgewidmet: Das FŸrstenzimmer wurde so zum ãWarteraum 1. und 2. KlasseÒ. Beim Anbau der Gastwirtschaft wurde in diesem Bereich die KŸche eingerichtet, dazu die Treppe ins Obergeschoss. Die Klassentrennung der WarterŠume war entfallen, auch wurde durch den GaststŠtten-Anbau zusŠtzlicher ãWarteraumÒ gewonnen, so dass jetzt Platz fŸr eine gro§zŸgigere, zentrale Schalterhalle war, in der der Reisende alle notwendigen GeschŠfte - Fahrkarte kaufen, GepŠck aufgeben - erledigen konnte.

Auf einer Šlteren Postkarte ist an der Stelle, an dem 1914 der GŸterschuppen steht, ein etwas kleineres, einstšckiges mit einem Walmdach versehenes GebŠude zu sehen, mšglicherweise ein frŸherer GŸterschuppen. Erkennbar ist hier auch, dass im Bereich der DienstrŠume nur eine TŸr zum Bahnsteig fŸhrt, 1914 waren es zwei TŸren. Auch sind die Porzellanisolatoren der Telegrafenleitungen an der GebŠudewand anders angeordnet. Die im Vordergrund liegende Weiche ist per Hand ãortsbedientÒ, d. h., sie hatte keinen Anschluss an ein Stellwerk. Anzunehmen ist, dass in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ein Stellwerk errichtet wurde, auch gab es wohl innerhalb des BahnhofsgebŠudes VerŠnderungen (neuer/anderer Telegrafenraum, Raum fŸr Fahrdienstleiter). Interessant auf dem Šlteren Bild ist der mit einem niedrigen Lattenzaun umschlossene Biergarten der Bahnhofswirtschaft, der spŠter dem Ladegleis des neuen GŸterschuppens weichen musste. Eine genaue Datierung dieser Situation ist schwierig, ein anderes Indiz kšnnte aber auf einen Zeitpunkt gegen Ende des 19. Jahrhunderts hinweisen: Im Oktober 1895 hat die damals neu eingerichtete ãKšnigliche Eisenbahndirektion CasselÒ der Preu§ischen Staatsbahn die Einrichtung von Sperren vorgeschrieben: Nur noch mit Fahrkarte oder mit Bahnsteigkarte war es erlaubt, den Bahnsteig zu betreten. Um die notwendige Kontrolle zu erleichtern, machte es aus Bahnsicht Sinn, die Fahrgastbewegung zu ãkanalisierenÒ, d. h. sie zu einem einzigen Ausgang zu leiten, an dem die Kontrolle der Billets vorgenommen wurde. FŸr ein BahnhofsgebŠude bedeutete dies z. B., dass durch Umbauten die AusgŠnge zum Bahnsteig bis auf einen verschlossen wurden, einschlie§lich der AusgŠnge einer Bahnhofswirtschaft ins Freie. Alternativ wurde die FreiflŠche der Wirtschaft durch einen hšheren Zaun abgegrenzt.

Die Ausbauten im ersten Stock des EmpfangsgebŠudes dienten vor allem der Bereitstellung von Wohnraum, fŸr die Dacheindeckung der Aufstockungen wurde Teerpappe verwendet. Im Verwaltungstrakt selbst wurden Umbauten aus betrieblichen GrŸnden wie zur Einrichtung des Telegrafenraumes oder des Dienstraumes fŸr den Fahrdienstleiter vorgenommen. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in Altmorschen der Morsetelegraf im Zugmeldeverfahren benutzt, bis er durch Telefone ersetzt wurde. Auch Ÿbte der Fahrdienstleiter seine Funktion noch bis etwa 1950 im EmpfangsgebŠude aus, dann wechselte dieser Dienstposten auf das sŸdliche Stellwerk am BahnŸbergang der B 83. WŠhrend des Zweiten Weltkriegs wurde 1941 im Keller unter den DienstrŠumen ein Luftschutzraum eingerichtet. Dazu wurden eine Betondecke sowie zusŠtzliche, stŸtzende Mauern eingezogen. †ber die Treppe im Turm gelangte man durch eine Schleuse mit gassicherer TŸr in den Schutzraum, ein Notausgang fŸhrte durch den Kohlenkeller des Bahnhofswirts zu einer TŸr unterm Treppenaufgang am Vorplatz.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Klinker-Bahnhšfen der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn war die Fassade bis weit in die zweite HŠlfte des 20. Jahrhunderts nicht verputzt oder angestrichen worden, erst spŠter Mitte der 1970er Jahren wurde ein dicker wei§er Anstrich aufgezogen.

Am 23.September 1966 fuhren die ersten von E-Loks gezogenen ZŸge auf der nunmehr elektrifizierten Strecke. Eine deutliche optische VerŠnderung der Bahnanlage, aber auch einen Zugewinn an Sicherheit fŸr Autofahrer und Fu§gŠnger waren im Jahre 1980 der Bau der Stra§enbrŸcke Ÿber die Bahn und die damit einher gehende Schlie§ung des BahnŸbergangs ab dem 22.Juni 1981.

Am 31.MŠrz 1988 schloss der Fahrkartenschalter, Anschlussgleise wurden stillgelegt. Kurz darauf gingen die beiden StellwerksgebŠude au§er Dienst, die neu installierten Lichtsignale werden seit FrŸhjahr 1989 von den Fahrdienstleitern in Beisefšrth mitbedient. Im Jahre 1963 wurde noch ein kleiner Fernmelderaum in die LŸcke zwischen BahnhofsgebŠude und GŸterschuppen gebaut, er ist mitsamt dem Schuppen vermutlich Anfang der 1990er Jahre abgerissen worden. Der letzte Wirt der Bahnhofswirtschaft, Peter Lentz, schloss nach 15jŠhriger Pachtzeit im Jahre 1999 sein Lokal. Aus dem ãBahnhof AltmorschenÒ wurde der ãHaltepunkt Morschen-AltmorschenÒ, als ãGebŠudeÒ fŸr den Bahnbetrieb verbleiben zwei glŠserne UnterstŠnde auf modernisierten Bahnsteigen.

Stellwerk am BahnŸbergang Altmorschen Blick aus dem Stellwerk (links) auf den BahnŸbergang Altmorschen und den Bahnhof Stellwerk am ehem. BahnŸbergang nach Heina

Ein SchmuckstŸck als Denkmal

Zum Bahnhof Altmorschen schreibt die BroschŸre der Reichsbahndirektion Kassel von 1948: ãNur die GebŠude von Liebenau, Beisefšrth und Altmorschen, deren Umbau der Zweite Weltkrieg verhinderte, zeigen noch heute das ursprŸngliche Bild.Ò Die anderen Stationen seien durch Umbauten, ãAufbringung eines schlichten Au§enputzesÒ und ãunter weitgehender Verbesserung auch der inneren Anlagen in geschickter Weise so umgeformt worden, dass sie unsere heutigen AnsprŸche auch in architektonischer Beziehung voll erfŸllen und SchmuckstŸcke in der Reihe unserer BahnhofsgebŠude darstellenÒ. Diese 1948 mit dem Unterton des Bedauerns formulierte Feststellung, dass der Umbau durch den Krieg ãverhindertÒ worden sei, stellt sich aus heutiger Sicht fŸr das EmpfangsgebŠude des Bahnhofs Altmorschen als GlŸckfall dar: Nach Abschluss der Rekonstruktionsarbeiten ist es mšglich geworden, einen Eindruck vom ursprŸnglichen Šu§eren Erscheinungsbild der Bahnhšfe der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn zu bekommen. Es bleibt dankenswerter Weise so mit diesem GebŠude ein mit neuem Leben erfŸlltes ãDenkmalÒ erhalten - ein erfreuliches EinzelstŸck neben den auf modern getrimmten Stationen in Melsungen oder Rotenburg und erst recht ein positiver Kontrast zu den heruntergekommenen BahnhofsgebŠuden, die die DB AG vergeblich zu Ramschpreisen an den Mann zu bringen versucht.

Bahnhof Eingangsbereich

Das EmpfangsgebŠude des Bahnhofs Altmorschen dient heute nach seiner aufwŠndigen und stilgerechten Restaurierung der Firma B. Braun Melsungen als Schulungs- und Trainingszentrum fŸr den intensivmedizinischen Bereich.



QUELLEN:
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Bergmann, Waltari: 125 Jahre Eisenbahnlinie Bebra-Guxhagen. In: Jahrbuch des Kreises Melsungen 1974, S. 116-119

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Bergmann, Waltari: TausendjŠhriges Morschen. Geschichte und Geschichten der Gemeinde Morschen und ihrer sieben Ortsteile. Morschen 1985, S. 373-376

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Brake, Ludwig: Die ersten Eisenbahnen in Hessen. Eisenbahnpolitik und Eisenbahnbau in Frankfurt, Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Nassau bis 1866. Wiesbaden 1991

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Deutsche Bahn AG - Historische Sammlung Berlin

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GeschŠftsbericht der Direktion der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn Ÿber den Zeitraum vom 1.October 1846 bis zum 1.Juni 1847. Cassel 1847

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GeschŠftsbericht der Direktion der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn Ÿber die Zeit vom Juni 1848 bis zum August 1849. Cassel 1849 (Stadtarchiv Kassel)

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Landesamt fŸr Denkmalpflege in Hessen(Hrsg.): KulturdenkmŠler in Hessen. EISENBAHN IN HESSEN. 3 BŠnde, Wiesbaden 2005

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Lohr, Siegfried: Planungen und Bauten des Kasseler Baumeisters Julius Eugen Ruhl 1796-1871. Darmstadt 1984

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Reichsbahndirektion Kassel (Hrsg.): Die Friedrichs-Wilhelm-Nordbahn 1848-1948. Zur 100jŠhrigen Wiederkehr der Betriebseršffnung der ersten kurhessischen Eisenbahn am 30.MŠrz 1848. Kassel 1948

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Salzmann, Reinhold: Zur Geschichte des BahnhofsgebŠudes von Rotenburg an der Fulda. Von den AnfŠngen bis zum Ersten Weltkrieg. In: RUND UM DEN ALHEIMER Bd. 35/2014, S. 13-23

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Wohlgemuth, Otto: Morschen im 20. Jahrhundert. Sieben Dšrfer in bewegten Zeiten. Morschen 2000


FŸr wertvolle Hinweise danke ich Architekt Ulf Mšller, Otto Wohlgemuth und Walter Bernhardt.