Die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn (FWNB)
Knapp
ein Jahrzehnt nach der Eršffnung der ersten deutschen Eisenbahn
zwischen NŸrnberg und FŸrth im Dezember 1835 begann man am 1. Juli 1845
in der NŠhe von Guxhagen in Kurhessen mit dem Bau von Eisenbahnen. Nach
jahrelangem innenpolitischem Hin und Her sowie zŠhen Verhandlungen mit
Preu§en und den thŸringischen Nachbarstaaten hatte ãKurprinz und
MitregentÒ Friedrich Wilhelm am 2. Oktober 1844 die Statuten einer
Aktien-Gesellschaft fŸr den Bau der ãFriedrich-Wilhelms-NordbahnÒ
genehmigt, wobei ein Bankenkonsortium, bestehend aus den BankhŠusern
Bernus du Fay (Hanau), Gebr. Bethmann und Ph. M. Schmidt (beide
Frankfurt a.M.), das notwendige Kapital von 8 Mio. Talern durch Ausgabe
von Aktien bereitstellen sollte.
Der
Bau der Strecke von Haueda an der preu§isch-westfŠlischen Grenze bis
nach Gerstungen war in insgesamt 12 Sektionen aufgeteilt worden, dazu
wurden gesondert die Tunnelbauten vergeben. Die Station Altmorschen
befand sich im Bereich der ãSection 9Ò, die vom Pfieffrain bei
Melsungen bis nach Heinebach reichte. Der Bau der Strecke in der
ãSection 9Ò (ohne den Tunnel bei Beisefšrth) war an die Fa. Wachsmann
& ManchŽ vergeben worden, die Bauleitung hatte ãSectionsingenieurÒ
Kšrdell. Am 7.April 1847 erhielt die Fa. Wachsmann & ManchŽ auch
den Zuschlag fŸr die Bauten ãder Station Altmorschen (dem
EinmŸndungspunkte einer demnŠchst aus der Gegend von Lichtenau und
Eschwege Ÿber Spangenberg herangefŸhrt werdenden Wegverbindung), in
einem Anschlage von 19.000 TalernÒ mit der ãVerpflichtung der
Beendigung bis zum 1. Juli 1848Ò, so der GeschŠftsbericht der FWNB aus dem Jahre 1847.
Beim
Bau der Bahn hatte man eine klare Aufgabentrennung vorgenommen:
Oberingenieur Dr. Francois Splingard aus Namur/Belgien baute die
Strecke, fŸr die Hochbauten wie z. B. die BahnhofsgebŠude war der
kurhessische Hofbaumeister Julius Eugen Ruhl zustŠndig. Splingrad und
Ruhl arbeiteten eng zusammen und koordinierten ihre AktivitŠten, z. B.
auch die Lage von BahnhofsgebŠuden bei den entsprechenden Ortschaften.
Das BahnhofsgebŠude von Altmorschen
Julius
Eugen Ruhl hat mit seinen EntwŸrfen den Stil der Bahnhofsbauten der
Friedrich-Wilhelms-Nordbahn und des kurhessischen Abschnitts der
Main-Weser-Bahn entscheidend geprŠgt, viele PlŠne, Skizzen und EntwŸrfe
sind von ihm erhalten. Den meisten von ihnen sind folgende Aspekte
gemeinsam:
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die EinfŸhrung des unverputzten massiven Ziegelbaus aus GrŸnden der Dauerhaftigkeit und des Eindrucks solider QualitŠt,
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die Bevorzugung eines Rundbogen-Stils,
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die Zergliederung des Bauwerks in tragende (Pfeiler), umschlie§ende (WŠnde) und dekorierende
Elemente (Rundbšgen, Gesimse, Zahnfriese, Formsteine),
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die Nutzung rasterfšrmiger Grundrisse.
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Den Ruhlschen Vorstellungen nachempfundene Rekonstruktion des Altmšrscher Bahnhofs von R. Salzmann
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Vom
Altmšrscher Bahnhof ist kein Entwurf erhalten, der sich explizit auf
Ruhl zurŸckfŸhren lŠsst. Ein Vergleich mit den von Ruhl entworfenen
Bahnhšfen wie z. B. in Hofgeismar, Melsungen oder Rotenburg a. d. Fulda
aber machen mehr als deutlich: Es sind Ruhls Vorstellungen, die hier in
Altmorschen umgesetzt wurden.
Obwohl das GebŠude in der Gemarkung Neumorschen gelegen war, erhielt die Station den Namen ãAltmorschenÒ.
Es hei§t, dass dies auf Wunsch des KurfŸrsten geschehen sei, auch wegen
der Verbindung zum Kloster Haydau, das damals als StaatsdomŠne im
Besitz des KurfŸrsten war. Die AusfŸhrungen des GeschŠftsberichts
1846/47 der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn lassen aber eher den Schluss
zu, dass wegen der Wegeverbindung von Lichtenau bzw. Eschwege Ÿber
Spangenberg nach Homberg in Altmorschen das entsprechende
Verkehrsaufkommen erwartet wurde. Nicht zuletzt stand zwischen Alt- und
Neumorschen damals die einzige FuldabrŸcke zwischen Melsungen und
Rotenburg.
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Offiziell
soll der Bahnhof am 15.5.1852 feierlich eingeweiht worden sein, knapp
vier Jahre nach Aufnahme des Bahnbetriebs zwischen Guxhagen und Bebra.
Bereits im ersten Fahrplan fŸr die Gesamtstrecke der FWNB vom 25.
September 1849 sind in Altmorschen sechs Zughalte verzeichnet, d. h.,
es gab bereits Personenverkehr in mšglicherweise provisorischen, noch
nicht komplett fertig gestellten Einrichtungen. Das zeigt auch
der GeschŠftsbericht der FWNB von 1849, der fŸr den Zeitraum vom
30. MŠrz 1848 bis zum 31. August 1849 fŸr den Bahnhof Altmorschen
14 303 befšrderte Personen und 4858,5 Zentner transportierte GŸter
ausweist.
Angesichts der
vertraglichen Verpflichtung des Bauunternehmens, das GebŠude bis Juli
1848 fertigzustellen, wirft der Eršffnungstermin 1852 Fragen auf. Im
GeschŠftsbericht von 1849 der - sich damals in finanziellen Nšten
befindlichen - FWNB-Gesellschaft liest man: ãBei AusfŸhrungen der
Hochbauten haben wir durch Vereinfachung derselben und BeschrŠnkung auf
die zum Betrieb nothwendigen Einrichtungen nicht unbedeutende
Ersparnisse eintreten lassen.Ò Mšglicherweise betraf dieser Sparkurs auch Altmorschen, so dass erst 1852 das GebŠude komplettiert war.
Im Band 2.1 der ãKulturdenkmŠler in Hessen. EISENBAHN IN HESSENÒ wird das Altmšrscher BahnhofsgebŠude als ãehemals
symmetrisches BacksteingebŠude von 1848 auf H-fšrmigen Grundriss
(2:3:2-Achsen) É , seit ca. 1850 beidseitig verlŠngert und nach Norden
um einen Turm ergŠnzt, zuletzt 1893 verŠndertÒ beschrieben. Dieser
H-fšrmige Grundriss lŠsst sich heute noch erkennen, wenn man sich
gedanklich den nšrdlichen Turm sowie den sŸdlichen Anbau wegdenkt.
Allerdings hatten bis auf den zweistšckigen Haupttrakt (und dem spŠter
angefŸgten Turm) die GebŠudeteile noch nicht die Hšhe, in der wir sie
jetzt vorfinden.
Die
verwendeten Baumaterialien (Klinkersteine) lassen diesen H-fšrmigen
Ursprungsgrundriss erkennen, den zweigeschossigen Hauptbau mit
angedeuteten Giebeln (ãRisaliteÒ) auf beiden Seiten, ein traufstŠndiger
flacher Bau stellt die Verbindung zu einem weiteren, mit Giebel zum
Gleis ausgerichteten Anbau her, der gleich breit, aber niedriger als
der Haupttrakt war. Der nšrdlich angefŸgte dreistšckige Turm war bis
zum Zeitpunkt der Eršffnung 1852 offenbar noch nicht komplett
vorhanden, dŸrfte aber nicht lange danach fertig gestellt worden
sein, da in ihm der einzige Treppenaufgang zum Obergeschoss
eingebaut war. Da die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn trotz Erprobung von
ãTelegraphenÒ (gemeint sind fest installierte optische Signale)
zunŠchst den Betrieb mit Handsignalen regelte, die von WŠrter zu WŠrter
gegeben wurden, was eine Sichtverbindung zwischen BahnwŠrterhŠusern und
Bahnhšfen erforderte. Die 1948 herausgegebene Festschrift zum
100jŠhrigen JubilŠum der FWNB vermutet, dass der Turm ãeine Art
Wachturm darstellte. Nach †berlieferung alter Eisenbahner befand sich
im Erdgeschoss des GebŠudes im Anschluss an den Turm, in dem die Treppe
zu den oberen Stockwerken hinauffŸhrte, das Telegrafenzimmer. Durch
diese Anordnung war es mšglich, schnell auf die obere Plattform zu
gelangen, um die sich nŠhernden ZŸge schon von weitem zu beobachten und
ihnen u. U. Signale geben zu kšnnen.Ò Gegen diese Vermutung
spricht, dass auf allen Zeichnungen und Abbildungen der TŸrme, die es
in gleicher Form z.B. auch bei den Bahnhšfen in Hofgeismar, Melsungen
oder Rotenburg gab, diese mit einer Haube abgedeckt sind. In erster
Linie war ein solcher Turm wohl ein Uhrenturm, vor allem befand sich in
ihm Ð wie erwŠhnt - der Treppenaufgang vom Erdgeschoss zum ersten Stock.
Die
Beschaffung der Baumaterialien spiegelt die damalige industrielle
RŸckstŠndigkeit des Agrarstaates Kurhessen wider: Der Schiefer fŸr die
Dacheindeckung wurde aus England bezogen, ebenso Kupferblech und
KupfernŠgel, spŠter verzinkte EisennŠgel. Der Turm wurde mit Zinkblech
Ÿber Dielenschalung abgedeckt. Inwieweit die von Dr. Francois Splingard
fŸr den Bahn- und Tunnelbau aus Belgien herangeholten Ziegelbrenner
auch Klinker fŸr den Bahnhof in Altmorschen hergestellt haben, ist
unklar. Da aber Streckenbau und Bahnhofsbau in der Hand einer Firma
lagen, kšnnte man Synergieeffekte bei der Materialbeschaffung vermuten.
In den EntwŸrfen Julius Eugen Ruhls, die dem Altmšrscher Bahnhofstyp
entsprechen, zeigt sich eine typische Anordnung der InnenrŠume. FŸr
Altmorschen kann man daher fŸr den Bau in seiner ursprŸnglichen
AusfŸhrung folgende Aufteilung annehmen:
- Erdgeschoss:
Im Turm der Treppenaufgang zur Vorsteher-Wohnung im ersten Stock des Haupttrakts.
Im Haupttrakt DienstrŠume (Billets, GepŠck) .
Im Verbindungsbau WarterŠume .
Im sŸdlichen Anbau FŸrstenzimmer mit gesondertem Zugang von der Seite.
- Erster Stock:
Im Turm Treppenaufgang zum 2. Turmgeschoss sowie Toilette fŸr die Vorsteher- Wohnung.
Im Haupttrakt Vorsteher-Wohnung
Diese eine Wohnung genŸgte, denn in Altmorschen waren wie ãauf
allen Stationen zweiter Klasse (É) die Funktionen des
Stations-Inspectors, Einnehmers, GŸter- und GepŠckexpedienten einem
einzigen Beamten Ÿbertragen, welcher bei verschiedenen GeschŠften nur
durch einen Wieger unterstŸtzt wirdÒ , so der GeschŠftsbericht der
FWNB von 1848/49. Nur in Karlshafen, Kassel und Bebra wurde damals
zusŠtzliches Personal eingesetzt.
SpŠtere VerŠnderungen des BahnhofsgebŠudes
Durch
die aktuelle, 2012 abgeschlossene Aufarbeitung des GebŠudes in
Altmorschen ist es mšglich geworden, einen Eindruck vom ursprŸnglichen
Šu§eren Erscheinungsbild der Bahnhšfe aus der Anfangszeit der
Friedrich-Wilhelms-Nordbahn zu bekommen. Allerdings zeigt sich der
heutige Bahnhof in einer gegenŸber dem Zustand der 1850er Jahre baulich
in vieler Hinsicht verŠndert und ergŠnzt. Folgende spŠteren Umbauten
bzw. Anbauten, die z. B. durch die Verwendung anderer
Klinkerstein-Formate oder an unterschiedlichen Radien der Fensterbšgen
zu erkennen sind, kann man am EmpfangsgebŠude feststellen:
- Anbau zweistšckiger sŸdlicher FlŸgel mit Restauration und Wohnung fŸr den Gastwirt
- Aufstockung mittlerer Bau,
- Aufstockung sŸdlicher, giebelstŠndiger Trakt,
- Anbau Portikus (stra§enseitiger Eingang),
- stra§enseitiger zweistšckiger Anbau an Turm, gleiche Hšhe wie Mittelbau und SŸdflŸgel.
Wann
die Erweiterungsbauten vorgenommen wurden, ist nicht genau bekannt. Die
ãKunstdenkmŠler in HessenÒ geben an, dass der Bahnhof bis zum Jahre
1893 umgebaut worden sei.
Ein
Foto aus dem Jahre 1914 zeigt das GebŠude in der Form, wie wir es heute
kennen, mit allen oben aufgefŸhrten An- und Umbauten. Dort ist auch der
GŸterschuppen zu sehen, der mitsamt Ladegleis zur Ÿberdachten Rampe am
Schuppen etwa um 1910 gebaut worden sein dŸrfte. Ein anderer
Postkartenausschnitt zeigt die Stra§enfront des GebŠudes mitsamt dem
angebauten Portikus - die Uniformen der Eisenbahner und der teilweise
sichtbare GŸterschuppen erlauben den Schluss, dass auch dieser Vorbau
mit Treppenaufgang und Windfang um diese Zeit entstanden ist.
Sicherlich war hiermit beabsichtigt, die betrieblichen AblŠufe
innerhalb des GebŠudes zu verbessern. In den frŸhen EntwŸrfen Ruhls gab
es am Eingang oft einen quer liegenden Flur (ãVestibulumÒ), von dem aus
die im SeitenflŸgel liegenden WarterŠume zu erreichen waren und die den
Reisenden nach Betreten des GebŠudes zu einer Querbewegung zwangen. Der
ãnatŸrliche WegÒ eines Reisenden war nŠmlich eher der, dass er sich
nach Betreten des GebŠudes geradeaus, direkt zum Gleis hin bewegte,
indem er sein Billet kaufte und eventuell GepŠck aufgab, um dann auf
den Bahnsteig zu gelangen. So sind im Laufe der Jahre eigentlich alle
Bahnhšfe entsprechend umgebaut worden. In diesem Zusammenhang ist
mšglicherweise der Umbau der ursprŸnglich einflŸgeligen TŸr vom
Verwaltungstrakt zum Bahnsteig in zwei nebeneinander liegende TŸren
erfolgt.
Ab
dem Jahre 1853 durfte sich die Bahn ãKurfŸrst-Friedrich-Wilhelms-
NordbahnÒ nennen, die Initialen ãKFWNBÒ zierten nun die Fahrzeuge. Mit
der Okkupation Kurhessens durch Preu§en im Jahre 1866 war das Ende der
kurfŸrstlichen Herrschaft gekommen, KurfŸrst Friedrich Wilhelm I. ging
nach Prag ins Exil. Der Name der Eisenbahngesellschaft wurde in
ãHessische Nordbahn-GesellschaftÒ geŠndert, ab 1868 wurde die Strecke
von der ãBergisch-MŠrkischen EisenbahngesellschaftÒ betrieben, welche
wiederum 1882 von Preu§en verstaatlicht wurde. Es war so auch die
Notwendigkeit entfallen, einen gesonderten Wartesaal fŸr die
kurfŸrstliche Familie vorzuhalten. †blicherweise wurden dann die
WarterŠume umgewidmet: Das FŸrstenzimmer wurde so zum ãWarteraum 1. und
2. KlasseÒ. Beim Anbau der Gastwirtschaft wurde in diesem Bereich die
KŸche eingerichtet, dazu die Treppe ins Obergeschoss. Die
Klassentrennung der WarterŠume war entfallen, auch wurde durch den
GaststŠtten-Anbau zusŠtzlicher ãWarteraumÒ gewonnen, so dass jetzt
Platz fŸr eine gro§zŸgigere, zentrale Schalterhalle war, in der der
Reisende alle notwendigen GeschŠfte - Fahrkarte kaufen, GepŠck aufgeben
- erledigen konnte.
Auf
einer Šlteren Postkarte ist an der Stelle, an dem 1914 der
GŸterschuppen steht, ein etwas kleineres, einstšckiges mit einem
Walmdach versehenes GebŠude zu sehen, mšglicherweise ein frŸherer
GŸterschuppen. Erkennbar ist hier auch, dass im Bereich der DienstrŠume
nur eine TŸr zum Bahnsteig fŸhrt, 1914 waren es zwei TŸren. Auch sind
die Porzellanisolatoren der Telegrafenleitungen an der GebŠudewand
anders angeordnet. Die im Vordergrund liegende Weiche ist per Hand
ãortsbedientÒ, d. h., sie hatte keinen Anschluss an ein Stellwerk.
Anzunehmen ist, dass in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ein
Stellwerk errichtet wurde, auch gab es wohl innerhalb des
BahnhofsgebŠudes VerŠnderungen (neuer/anderer Telegrafenraum, Raum fŸr
Fahrdienstleiter). Interessant auf dem Šlteren Bild ist der mit einem
niedrigen Lattenzaun umschlossene Biergarten der Bahnhofswirtschaft,
der spŠter dem Ladegleis des neuen GŸterschuppens weichen musste. Eine
genaue Datierung dieser Situation ist schwierig, ein anderes Indiz
kšnnte aber auf einen Zeitpunkt gegen Ende des 19. Jahrhunderts
hinweisen: Im Oktober 1895 hat die damals neu eingerichtete ãKšnigliche
Eisenbahndirektion CasselÒ der Preu§ischen Staatsbahn die Einrichtung
von Sperren vorgeschrieben: Nur noch mit Fahrkarte oder mit
Bahnsteigkarte war es erlaubt, den Bahnsteig zu betreten. Um die
notwendige Kontrolle zu erleichtern, machte es aus Bahnsicht Sinn, die
Fahrgastbewegung zu ãkanalisierenÒ, d. h. sie zu einem einzigen Ausgang
zu leiten, an dem die Kontrolle der Billets vorgenommen wurde. FŸr ein
BahnhofsgebŠude bedeutete dies z. B., dass durch Umbauten die AusgŠnge
zum Bahnsteig bis auf einen verschlossen wurden, einschlie§lich der
AusgŠnge einer Bahnhofswirtschaft ins Freie. Alternativ wurde die
FreiflŠche der Wirtschaft durch einen hšheren Zaun abgegrenzt.
Die
Ausbauten im ersten Stock des EmpfangsgebŠudes dienten vor allem der
Bereitstellung von Wohnraum, fŸr die Dacheindeckung der Aufstockungen
wurde Teerpappe verwendet. Im Verwaltungstrakt selbst wurden Umbauten
aus betrieblichen GrŸnden wie zur Einrichtung des Telegrafenraumes oder
des Dienstraumes fŸr den Fahrdienstleiter vorgenommen. Noch bis Mitte
des 20. Jahrhunderts wurde in Altmorschen der Morsetelegraf im
Zugmeldeverfahren benutzt, bis er durch Telefone ersetzt wurde. Auch
Ÿbte der Fahrdienstleiter seine Funktion noch bis etwa 1950 im
EmpfangsgebŠude aus, dann wechselte dieser Dienstposten auf das
sŸdliche Stellwerk am BahnŸbergang der B 83. WŠhrend des Zweiten
Weltkriegs wurde 1941 im Keller unter den DienstrŠumen
ein Luftschutzraum eingerichtet. Dazu wurden eine Betondecke sowie
zusŠtzliche, stŸtzende Mauern eingezogen. †ber die Treppe im Turm
gelangte man durch eine Schleuse mit gassicherer TŸr in den Schutzraum,
ein Notausgang fŸhrte durch den Kohlenkeller des Bahnhofswirts zu einer
TŸr unterm Treppenaufgang am Vorplatz.
Im Gegensatz zu den meisten
anderen Klinker-Bahnhšfen der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn war die
Fassade bis weit in die zweite HŠlfte des 20. Jahrhunderts nicht
verputzt oder angestrichen worden, erst spŠter Mitte der 1970er Jahren
wurde ein dicker wei§er Anstrich aufgezogen.
Am
23.September 1966 fuhren die ersten von E-Loks gezogenen ZŸge auf der
nunmehr elektrifizierten Strecke. Eine deutliche optische VerŠnderung
der Bahnanlage, aber auch einen Zugewinn an Sicherheit fŸr Autofahrer
und Fu§gŠnger waren im Jahre 1980 der Bau der Stra§enbrŸcke Ÿber die
Bahn und die damit einher gehende Schlie§ung des BahnŸbergangs ab dem
22.Juni 1981.
Am
31.MŠrz 1988 schloss der Fahrkartenschalter, Anschlussgleise wurden
stillgelegt. Kurz darauf gingen die beiden StellwerksgebŠude au§er
Dienst, die neu installierten Lichtsignale werden seit FrŸhjahr 1989
von den Fahrdienstleitern in Beisefšrth mitbedient. Im Jahre 1963 wurde
noch ein kleiner Fernmelderaum in die LŸcke zwischen BahnhofsgebŠude
und GŸterschuppen gebaut, er ist mitsamt dem Schuppen vermutlich Anfang
der 1990er Jahre abgerissen worden. Der letzte Wirt der
Bahnhofswirtschaft, Peter Lentz, schloss nach 15jŠhriger Pachtzeit im
Jahre 1999 sein Lokal. Aus dem ãBahnhof AltmorschenÒ wurde der
ãHaltepunkt Morschen-AltmorschenÒ, als ãGebŠudeÒ fŸr den Bahnbetrieb
verbleiben zwei glŠserne UnterstŠnde auf modernisierten Bahnsteigen.
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Stellwerk am BahnŸbergang Altmorschen |
Blick aus dem Stellwerk (links) auf den BahnŸbergang Altmorschen und den Bahnhof |
Stellwerk am ehem. BahnŸbergang nach Heina |
Ein SchmuckstŸck als Denkmal
Zum Bahnhof Altmorschen schreibt die BroschŸre der Reichsbahndirektion Kassel von 1948: ãNur
die GebŠude von Liebenau, Beisefšrth und Altmorschen, deren Umbau der
Zweite Weltkrieg verhinderte, zeigen noch heute das ursprŸngliche Bild.Ò Die anderen Stationen seien durch Umbauten, ãAufbringung
eines schlichten Au§enputzesÒ und ãunter weitgehender Verbesserung auch
der inneren Anlagen in geschickter Weise so umgeformt worden, dass sie
unsere heutigen AnsprŸche auch in architektonischer Beziehung voll
erfŸllen und SchmuckstŸcke in der Reihe unserer BahnhofsgebŠude
darstellenÒ. Diese 1948 mit dem Unterton des Bedauerns formulierte
Feststellung, dass der Umbau durch den Krieg ãverhindertÒ worden sei,
stellt sich aus heutiger Sicht fŸr das EmpfangsgebŠude des Bahnhofs
Altmorschen als GlŸckfall dar: Nach Abschluss der
Rekonstruktionsarbeiten ist es mšglich geworden, einen Eindruck vom
ursprŸnglichen Šu§eren Erscheinungsbild der Bahnhšfe der
Friedrich-Wilhelms-Nordbahn zu bekommen. Es bleibt dankenswerter Weise
so mit diesem GebŠude ein mit neuem Leben erfŸlltes ãDenkmalÒ erhalten
- ein erfreuliches EinzelstŸck neben den auf modern getrimmten
Stationen in Melsungen oder Rotenburg und erst recht ein positiver
Kontrast zu den heruntergekommenen BahnhofsgebŠuden, die die DB AG
vergeblich zu Ramschpreisen an den Mann zu bringen versucht.
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Bahnhof Eingangsbereich |
Das
EmpfangsgebŠude des Bahnhofs Altmorschen dient heute nach seiner
aufwŠndigen und stilgerechten Restaurierung der Firma B. Braun
Melsungen als Schulungs- und Trainingszentrum fŸr den
intensivmedizinischen Bereich.
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